09.08.2021 – Vektorimpfstoffe nutzen eine neue Technologie, die noch nicht lange im Einsatz ist. Sie ist effizient und ermöglicht es den Herstellern, die Impfstoffe relativ schnell bei Virusmutationen anzupassen. Im Rahmen der COVID-19-Impfungen kam es allerdings wegen zwar extrem seltener, aber schwerwiegender Nebenwirkungen zu einer Verunsicherung in der Bevölkerung. Wie funktionieren diese Impfstoffe und für wen ist die COVID-19-Impfung damit empfohlen?
Vektorimpfstoffe sind eine neue Art von Impfstoffen (Vakzinen), die beispielsweise schon im Rahmen der Ebolaimpfung eingesetzt werden. Sie werden manchmal auch als vektorbasierte Vakzine bezeichnet. Zur Bekämpfung des neuen Coronavirus SARS-CoV-2 stehen seit Anfang 2021 in Europa Vektorvakzine der Hersteller AstraZeneca und Janssen (Johnson & Johnson) zur Verfügung. Zusätzlich befindet sich – Stand August 2021 – das in Russland entwickelte Vektorvakzin Sputnik V des Herstellers R-Pharm im Begutachtungsverfahren der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) [1].
Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Vakzine der Hersteller AstraZeneca und Janssen (Johnson & Johnson) aufgrund sehr seltener, aber schwerwiegender Nebenwirkungen (Sinusvenenthrombosen) nur noch für Personen ab 60 Jahren [2]. Bei der Sinusvenenthrombose bilden sich Blutgerinnsel in bestimmten Blutgefäßen des Gehirns, die unbehandelt tödlich sein können. Die Empfehlung der STIKO für Menschen über 60 Jahre basiert darauf, dass die Sinusvenenthrombosen bislang hauptsächlich bei jüngeren Frauen auftraten. Für Personen ab 60 Jahren ist das Risiko dieser Nebenwirkung geringer. Zudem haben Menschen in dieser Altersgruppe ein höheres Risiko für schwere Verläufe von COVID-19. Nach Einschätzung der STIKO überwiegt daher bei diesen Personen der Nutzen der beiden Vektorvakzine deutlich das Risiko für mögliche Nebenwirkungen: Die Vakzine verhindern Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 zu circa 65 bis 80 Prozent und schwere Verläufe von COVID-19 sogar zu 95 bis 100 Prozent [3]. Um die Schutzwirkung des AstraZeneca-Vakzins zu optimieren, empfiehlt die STIKO eine Zweitimpfung mit einem mRNA-Vakzin [2].
Gut zu wissen: Auch wenn beide Vakzine nicht mehr für die Altersgruppe unter 60 Jahren empfohlen sind, können sich Personen zwischen 18 und 60 Jahren weiterhin damit impfen lassen. Die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sie sich ausführlich über die möglichen Risiken aufklären lassen und diese akzeptieren.
Es gibt zwei verschiedene Arten von Vektorvakzinen. Die erste funktioniert ähnlich wie mRNA-Vakzine. Harmlose Viren dienen dabei als Vektor (Transportmittel), um den genetischen Bauplan (DNA oder RNA) für ein virales Protein (Eiweiß) in die Körperzellen zu bringen. Anhand dieses Bauplans produziert der menschliche Körper dann dieses Protein. Das Immunsystem erkennt das Protein als Fremdkörper und leitet Abwehrmechanismen ein, die einen langfristigen Schutz vor dem Virus gewährleisten können. Als Vektor lassen sich hierbei sowohl vermehrungsfähige als auch vermehrungsunfähige Viren nutzen.
Die zweite Art von Vektorvakzinen sind chemisch inaktivierte Vektorviren. Diese Vektorviren transportieren keinen Proteinbauplan, sondern das fertige Protein: Ein harmloses Virus wird gentechnisch so angepasst, dass es das Protein auf der Oberfläche trägt und chemisch inaktiviert [4].
Die COVID-19-Vektorvakzine von AstraZeneca, Janssen (Johnson & Johnson) und R-Pharm gehören zum ersten Typ von Vektorvakzinen, bei dem ein genetischer Bauplan in die Körperzellen transportiert wird. Sie basieren auf gentechnisch veränderten Adenoviren, die normalerweise Erkältungen verursachen. Die verwendeten Adenoviren können sich allerdings im menschlichen Körper nicht vermehren, da die dafür benötigte genetische Information gezielt ausgeschaltet wird. Außerdem wird ihnen die genetische Information für das sogenannte Spike-Protein eingebaut, das normalerweise auf der Oberfläche des Coronavirus SARS-CoV-2 vorkommt. Dieses Protein ermöglicht es SARS-CoV-2, an menschliche Körperzellen zu binden und diese zu infizieren.
Wird das veränderte Adenovirus verimpft, gelangt es in die Körperzellen. Dort gibt es die DNA für das Spike-Protein in den Zellkern ab. Die DNA für das Spike-Protein wird dort nicht ins menschliche Erbgut eingebaut, sondern in mRNA (Messenger-RNA bzw. Boten-RNA) umgeschrieben (Abbildung 1). Diese mRNA wird anschließend aus dem Zellkern transportiert und mithilfe einer Transfer-RNA (tRNA) an den Produktionsstätten der Zelle, den Ribosomen, in das Spike-Protein übersetzt. Die tRNA transportiert dabei die Proteinbausteine, die Aminosäuren. Da das Spike-Protein körperfremd ist, reagiert das Immunsystem darauf. Es aktiviert bestimmte Immunzellen und bildet Antikörper.
Die Impfreaktionen sind meist mild [3]. Am häufigsten treten folgende Symptome auf:
Häufigkeit | AstraZeneca | Janssen (Johnson & Johnson) |
> 60 % | druckempfindliche Einstichstelle | |
> 50 % | Schmerzen an der Einstichstelle, Kopfschmerzen, Ermüdung | |
> 40 % | Muskelschmerzen, Unwohlsein | Schmerzen an der Einstichstelle |
> 30 % | erhöhte Temperatur, Schüttelfrost | Kopfschmerzen, Ermüdung, Muskelschmerzen |
> 20 % | Gelenkschmerzen, Übelkeit | |
> 10 % | Übelkeit |
In Einzelfällen sind Thrombosen (Blutgerinnsel), hauptsächlich im Bereich der Hirnvenen (Sinusvenenthrombosen), nach einer Vektorimpfung beobachtet worden. Sie können unbehandelt tödlich verlaufen. Diese Nebenwirkung ist extrem selten. Dennoch sollten Sie innerhalb von 16 Tagen nach einer Vektorimpfung auf Symptome achten, die potenziell auf eine Sinusvenenthrombose hinweisen können. Falls Sie eines der folgenden Symptome nach der Impfung bemerken, sollten Sie schnellstmöglich einen Arzt kontaktieren:
Ein Vorteil von Vektorvakzinen besteht darin, dass sie bereits bei anderen Impfungen (z. B. Ebola und Dengue) genutzt werden. Durch diese Vorerfahrungen war es möglich, diese Vakzine schnell zu produzieren. Außerdem kann man Vektorvakzine, ebenso wie RNA-Vakzine, relativ einfach und schnell bei Virusmutationen anpassen. Überdies lösen sie eine gute Immunantwort aus [4]. Bei dem Impfstoff von Janssen (Johnson & Johnson) ist sogar nur eine Dosis nötig, um den vollen Impfschutz zu gewährleisten. Damit ist zum Beispiel eine zeitnahe Impfung vor geplanten Krankenhausaufenthalten möglich.
Ein Nachteil von Vektorimpfungen ist, dass die geimpfte Person gegen das Vektorvirus selbst immun sein kann. In diesem Fall wird kein oder nur ein unzureichender Impfschutz aufgebaut. Ein weiteres Problem ist das insbesondere für Personen unter 60 Jahren erhöhte Risiko für Sinusvenenthrombosen bei den zugelassenen COVID-19-Impfstoffen.
Bildnachweis: „Adenovirus enter cells throughs membrane“; stock.adobe.com/Design Cells, formazione di nuove proteine assemblate dai ribosomi su mRNA“; stock.adobe.com/ellepigrafica
Autorin dieses Beitrags: Dr. Christina Schüßler, medizinwelten-services GmbH, Stuttgart
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Fachgebiet (Unterfachgebiet):
Allgemeinmedizin, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Innere Medizin (Immunologie, Infektiologie, Pneumologie), Öffentliches Gesundheitswesen
Körperregion/Organsystem:
Immunsystem, Lunge
Jahreszeit:
ganzjährig
Anlass:
Pandemie
Medizinischer Bereich:
Husten, Halsschmerzen, Fieber, Geschmacksverlust, Atemnot, Long-COVID
Schlagwörter:
AstraZeneca, Coronavirus, COVID-19, DNA, EMA, Europäische Arzneimittel-Agentur, European Medicines Agency, Fieber, Frösteln, Gliederschmerzen, Halsschmerzen, Hausarzt, Husten, Immunsystem, Impfen, Impfreaktionen, Impfung, Janssen, Johnson & Johnson, Kopfschmerzen, Krankenkassen, Pandemie, R-Pharm, SARS-CoV-2, Spike-Protein, Sputnik V, Vakzin, Vektor, Vektorbasierte Vakzine, Vektorimpfstoffe, Vektorvakzine, Virusvarianten