09.08.2021 – mRNA-Impfstoffe werden im Rahmen der Coronapandemie in großem Stil eingesetzt. Sie sind beliebt, da sie sehr wirksam sind und nach der Impfung in der Regel nur milde Impfreaktionen auftreten. Die Technologie hinter diesen Impfstoffen ist relativ neu. Daher sind manche Menschen verunsichert und fragen sich, ob mRNA-Impfstoffe das Erbgut verändern können. Besteht diese Gefahr wirklich? Hier erfahren Sie, wie mRNA-Impfstoffe wirken und welche Vor- und Nachteile sie besitzen.
Impfstoffe (Vakzine), die auf mRNA basieren, sind eine neue Technologie. In der EU hat diese Art von Vakzinen erstmalig im Rahmen der COVID-19-Impfung eine Zulassung erhalten. Derzeit – Stand August 2021 – sind in der EU zwei mRNA-Vakzine im Einsatz (Comirnaty von BioNTech/Pfizer und Spikevax von Moderna). Ein weiteres (CureVac) wird von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) derzeit begutachtet [1].
mRNA-Vakzine nutzen die biologische Substanz RNA (Ribonukleinsäure). Sie ist der Erbinformation DNA (Desoxyribonukleinsäure) chemisch sehr ähnlich, enthält aber einen anderen Zucker (Ribose statt Desoxyribose, Abbildung 1). Auch bei den vier Bausteinen, die Informationen in der RNA und DNA kodieren, gibt es Unterschiede: In der RNA kommen Uracil, Adenin, Cytosin und Guanin vor; in der DNA ist das Uracil durch Thymin ersetzt. Außerdem besitzt die RNA eine andere Struktur als die DNA: Die RNA liegt meist einzelsträngig vor, während die DNA normalerweise doppelsträngig aufgebaut und in Chromosomen verpackt ist. Auch die Funktion ist unterschiedlich. Bei allen Lebewesen, so auch beim Menschen, ist in der DNA die Erbinformation gespeichert. Im Gegensatz dazu gibt es im menschlichen Körper verschiedene Typen von RNA mit unterschiedlichen Funktionen. Einer davon ist die mRNA (Messenger-RNA, also Boten-RNA), auf der die aktuell eingesetzten RNA-Vakzine basieren [2].
Im menschlichen Körper ist die mRNA an der Herstellung von Proteinen (Eiweißen) beteiligt. Dieser Prozess läuft folgendermaßen ab: Der Bauplan für die Proteine ist in der DNA festgelegt. Jede Zelle des menschlichen Körpers enthält die gleiche Erbinformation (also die gleiche Menge an DNA). Die DNA befindet sich nicht frei in der Zelle, sondern in abgetrennten Bereichen, zum Beispiel im Zellkern. Die Proteine hingegen werden im freien Bereich der Zelle produziert, dem sogenannten Zellplasma. Aufgrund dieser räumlichen Trennung müssen also Informationen aus der DNA im Zellkern in das Zellplasma übermittelt werden. Genau das ist die Aufgabe der mRNA. Soll ein bestimmtes Protein produziert werden, wird der entsprechende Abschnitt der DNA im Zellkern in mRNA umgeschrieben (Abbildung 2). Die mRNA wird anschließend aus dem Zellkern in das Zellplasma transportiert. Dort befinden sich die sogenannten Ribosomen. Sie sind Produktionsstätten, an denen die mRNA abgelesen und mithilfe einer Transfer-RNA (tRNA) in das entsprechende Protein übersetzt wird. Die tRNA transportiert dabei die Proteinbausteine, die Aminosäuren.
Generell enthalten mRNA-Vakzine eine künstlich hergestellte mRNA mit dem Bauplan für ein Virusprotein. Damit die mRNA in dem Vakzin stabil bleibt und der Körper sie besser aufnehmen kann, ist sie in Fetttröpfchen verpackt. Bei den COVID-19-Vakzinen enthält die verimpfte mRNA die Information für ein Protein, das auf der Oberfläche des neuen Coronavirus SARS-CoV-2 zu finden ist – das sogenannte Spike-Protein. Dieses Protein hilft dem Virus dabei, an die Körperzellen zu binden und sie zu infizieren. Aber keine Sorge: Das Spike-Protein alleine kann keine Infektion auslösen.
Bei der Impfung gelangt die künstliche Spike-Protein-mRNA in den Körper und wird in das Zellplasma aufgenommen. Dort angekommen liefert sie die Information für die Herstellung des Spike-Proteins. Damit kann das Spike-Protein an den Ribosomen zusammengebaut werden. Das Immunsystem erkennt das Spike-Protein anschließend als fremd und produziert Antikörper dagegen. Zusätzlich aktiviert der Körper sogenannte T-Zellen, die ebenfalls Teil der Immunabwehr sind.
Die verimpfte mRNA verbleibt nicht dauerhaft in der Zelle, sondern wird nach einigen Tagen abgebaut. Danach kann der Körper auch kein Spikeprotein mehr herstellen. Auch wenn die mRNA abgebaut ist, besteht der Impfschutz unter anderem durch Antikörper und Gedächtniszellen weiter. Ebenfalls wichtig ist: Die mRNA aus dem Vakzin kann die Erbinformation, also die DNA, nicht verändern. Dazu müsste sie in den Zellkern gelangen und in DNA umgeschrieben werden. Die dafür nötigen Enzyme fehlen der Zelle allerdings.
Bei den COVID-19-Impfungen mit mRNA-Vakzinen sind die Impfreaktionen größtenteils mild [3].
Sehr häufig sind die in der folgenden Tabelle aufgeführten Reaktionen:
Häufigkeit | BioNTech/Pfizer | Moderna |
> 90 % | Schmerzen an der Einstichstelle | |
> 80 % | Schmerzen an der Einstichstelle | |
> 70 % | Müdigkeit | |
> 60 % | Müdigkeit | Kopfschmerzen, Muskelschmerzen |
> 50 % | Kopfschmerzen | |
> 40 % | Gelenkschmerzen, Schüttelfrost | |
> 30 % | Muskelschmerzen, Schüttelfrost | |
> 20 % | Gelenkschmerzen | Übelkeit, Erbrechen |
> 10 % | Fieber, Schwellung der Einstichstelle | Schwellung oder Schmerzempfindlichkeit der Lymphknoten in der Achselhöhle, Fieber, Schwellung an der Einstichstelle |
Sehr selten kommen schwere allergische Reaktionen vor. Aus diesem Grund werden Sie vor der Impfung nach Ihren bekannten Allergien gefragt. Ihr Arzt entscheidet dann, ob Sie mit einem mRNA-Impfstoff geimpft werden können. Nach der Impfung müssen Sie mit einer Nachbeobachtungszeit von 15 bis 30 Minuten rechnen [4]. Weitere sehr seltene Impfreaktionen sind Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen. Sie können innerhalb von 14 Tagen nach der Impfung auftreten, insbesondere nach der Zweitimpfung und bei jüngeren Männern. Falls Sie eines der folgenden Symptome nach der Impfung bemerken, sollten Sie schnellstmöglich einen Arzt kontaktieren:
Viren können mutieren. Das kann dazu führen, dass Vakzine schlechter oder gar nicht mehr wirken. mRNA-Vakzine haben den Vorteil, dass man sie bei Mutationen des Virus schnell anpassen kann. Das ist bei SARS-CoV-2 wichtig, da hier bereits mehrere Virusvarianten mit einem veränderten Spikeprotein bekannt sind.
Außerdem sind die mRNA-Vakzine anhand der bisherigen Studien- und Praxiserfahrungen sehr wirksam. Die beiden zugelassenen mRNA-Vakzine verhindern Infektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu circa 95 Prozent [3]. Ein weiterer Vorteil ist, dass sich Kinder mit besonderem Risiko ab zwölf Jahren, Erwachsene aller Altersklassen sowie Schwangere ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel nach einer Risikoabwägung mit diesen Vakzinen impfen lassen können [3, 5]. Sie können also bei dem Großteil der Bevölkerung eingesetzt werden.
Ein Nachteil von mRNA-Vakzinen ist, dass sie bei Gefriertemperaturen gelagert werden müssen. Zudem immunisieren sie die Schleimhaut der oberen Atemwege nur schwach [2]. Ein weiteres Problem ist das vor allem nach Zweitimpfungen und bei jüngeren Männern erhöhte Risiko für Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen [3].
Bildnachweis: „Concept of mRNA vaccines“, stock.adobe.com/thodonal, Molecular Structure Of DNA and RNA. Infographic Educational Vector Illustration“; stock.adobe.com/Yarkee, formazione di nuove proteine assemblate dai ribosomi su mRNA“; stock.adobe.com/ellepigrafica
Autorin dieses Beitrags: Dr. Christina Schüßler, medizinwelten-services GmbH, Stuttgart
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Fachgebiet (Unterfachgebiet):
Allgemeinmedizin, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Innere Medizin (Immunologie, Infektiologie, Pneumologie), Öffentliches Gesundheitswesen
Körperregion/Organsystem:
Immunsystem, Lunge
Jahreszeit:
ganzjährig
Anlass:
Pandemie
Medizinischer Bereich:
Husten, Halsschmerzen, Fieber, Geschmacksverlust, Atemnot, Long-COVID
Schlagwörter:
Allergische Reaktion, BioNTech/Pfizer, Coronavirus, COVID-19, CureVac, DNA, EMA, Europäische Arzneimittel-Agentur, European Medicines Agency, Fieber, Frösteln, Gliederschmerzen, Halsschmerzen, Hausarzt, Husten, Immunsystem, Impfen, Impfreaktionen, Impfung, Kopfschmerzen, Krankenkassen, Moderna, mRNA, Pandemie, RNA-Impfstoff, SARS-CoV-2, Spike-Protein, Vakzin, Virusvarianten