12.04.2023 – Zweimal jährlich erfolgt in der gesamten EU eine Zeitumstellung, die regelmäßig für Verwirrung sorgt: Wird die Uhr vor- oder zurückgestellt? Welche Uhr zeigt beim Aufwachen die „richtige“ Uhrzeit? Aber vor allem: Welche Effekte hat die Zeitumstellung auf den Körper – schadet sie uns sogar?
Die Chronobiologie ist die Wissenschaft, die sich mit dem biologischen Rhythmus beschäftigt. Dabei geht es um unsere eigene innere Uhr, um die Auswirkungen von Zeitumstellungen auf unseren Körper und darum, wie sich Menschen anhand ihres individuellen inneren Taktgebers in Frühaufsteherinnen (Morgentypen) und Nachteulen (Abendtypen) einteilen lassen. In der Fachsprache werden diese Kategorien als „Chronotypen“ bezeichnet.
Unser Körper folgt demnach einem inneren Dirigenten: Eine zentrale innere Uhr mit Sitz im Hypothalamus, der großen Schaltzentrale im Gehirn, gibt den Takt vor. Dort steuern über 20.000 Neuronen den menschlichen Biorhythmus, der dem natürlichen Tag-Nacht-Intervall auf der Erde von ungefähr 24 Stunden entspricht [1]. Sie stehen dabei in ständigem Kontakt mit der Außenwelt, um sich über externe Reize mit ihr zu synchronisieren. Diese Signale können natürlichen Ursprungs sein, etwa das Tageslicht oder die Umgebungstemperatur. Sie können aber auch kulturell geprägt sein, wie der klingelnde Wecker [2]. Der Körper und damit auch die innere Uhr können daher auf verschiedene Rhythmen umprogrammiert werden. Das kann jedoch den Schlaf-Wach-Rhythmus zunächst durcheinanderbringen. Kommt es zum Beispiel aufgrund von Reisen zwischen Zeitzonen zu einer größeren Diskrepanz zwischen dem biologischen Rhythmus und den Licht- und Dunkelphasen am Zielort, kann ein Jetlag die Folge sein [3]. Auch der Versatz im Tag-Nacht-Rhythmus innerhalb einer Arbeitswoche aufgrund von schwankenden Arbeitszeiten und sozialen Verpflichtungen kann den Biorhythmus aus dem Takt bringen – in diesem Fall spricht man von einem sozialen Jetlag [4].
Beim Wechsel zwischen der Winter- und der Sommerzeit ist die Zeitverschiebung mit einer Stunde zwar minimal, doch auch das kann Folgen für den Menschen und seinen Stoffwechsel haben. Denn neben der inneren Uhr für den gesamten Körper besitzen zusätzlich auch Organe, Gewebe und Zellen ihre eigenen molekularen Taktgeber. So folgen zum Beispiel die Herzmuskelzellen einem sehr sensiblen Rhythmus. Gerät diese Synchronisation durch die Zeitumstellung aus dem Takt, kann es unter anderem vermehrt zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen kommen [1].
So werden in den USA in der ersten Woche nach dem Wechsel auf die Sommerzeit vermehrt Herzinfarkte gemeldet. Je nach Studie steigt die Wahrscheinlichkeit dafür zwischen 4 und 29 % an [1]. Ein Grund hierfür kann der mit der Zeitumstellung verbundene Schlafmangel sein, der auch unabhängig vom Wechsel zwischen Sommer- und Winterzeit schädlich für den Körper ist. Eine Schlafdauer von unter 6 Stunden steigert das Risiko für Bluthochdruck, Diabetes oder Übergewicht [1].
Im Gegensatz dazu zeigte eine Analyse aus Deutschland, dass sich das Herzinfarktrisiko in der normalen Bevölkerung im Zusammenhang mit der Umstellung von der Winter- auf die Sommerzeit nicht signifikant verändert. Diese Arbeit kam allerdings auch zu folgenden Ergebnissen, die durchaus eine Assoziation zwischen der Zeitumstellung und einem Infarktrisiko nahelegen:
Dass diese beiden Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen, kann mehrere Gründe haben. So kann zum einen die geografische Lokalisation der Studien dabei eine Rolle spielen, zum anderen können Unterschiede bei der durchschnittlichen Schlafdauer oder -qualität, beim Durchschnittsalter und bei den Chronotypen der Personen in den beiden Studien dafür verantwortlich sein [5].
Abendtypen sind maßgeblich vom Licht am Morgen abhängig, um ihre innere Uhr an den Tagesrhythmus anzupassen. Eine dauerhafte Sommerzeit könnte gerade für diese Menschen problematisch sein, da sie dann in den Wintermonaten morgens lange auf ausreichend natürliches Licht verzichten müssten. Menschen, deren Tag-Nacht-Rhythmus extrem vom natürlichen 24-Stunden-Intervall abweicht, wären ebenfalls betroffen [8]. Die Folgen könnten Symptome eines Jetlags wie Konzentrationsprobleme oder auch Stimmungsschwankungen sein [3]. Um diese Diskrepanz zwischen den biologischen und gesellschaftlichen Taktgebern auszugleichen, wäre es zum Beispiel notwendig, den Alltag mit einem späteren Start am Morgen anzupassen (z. B. Schulstart ab 9 Uhr) [8].
Wissenschaftlich gesehen scheint ein Wechsel auf die Sommerzeit mehr negative als positive Folgen für die Menschen zu haben [8]. Nach einem Beschluss des EU-Parlaments, die Zeitumstellung ab dem Jahr 2021 zu beenden [9], lassen die politischen Entscheidungen der Mitgliedsstaaten jedoch noch auf sich warten. Bis zu einem Entschluss heißt es somit zweimal im Jahr weiter „Spring forward, Fall back“.
Bildnachweis: „Kundenfeedback, User Experience oder Kundenbewertung Geschäftskonzept. Moderne Vektordarstellung der Messung der Personenzufriedenheit – Vektor Illustration“; iStock.com/girafchik123
Autorin dieses Beitrags: Sina Hillebrecht, medizinwelten-services GmbH, Stuttgart
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Fachgebiet (Unterfachgebiet):
Chronobiologie
Körperregion/Organsystem:
Gehirn
Jahreszeit:
Frühling oder Herbst
Anlass:
Zeitumstellung
Schlagwörter:
Abendtyp, Chronotypen, Herzinfarkt, Jetlag, Morgentyp, Sommerzeit, sozialer Jetlag, Stoffwechsel, Winterzeit, Zeitumstellung