Holzsteine mit der Aufschrift „Long Covid“ in einer Reihe, die umzufallen drohen (Domino-Effekt)

Offiziell genesen, trotzdem nicht gesund: Wenn die COVID-19-Symptome bleiben

Mögliche Langzeitfolgen einer Corona-Infektion

05.04.2023 – Auch wenn die Wellen der akuten Corona-Infektionen allmählich abflauen, sind die Langzeitfolgen einer COVID-19-Erkrankung nicht zu unterschätzen: Ein Teil der Betroffenen leidet auch mehrere Wochen nach der Infektion noch an Symptomen, die ihre Lebensqualität stark beeinträchtigen. Was ist über Long COVID bekannt, welche Auslöser und Risikofaktoren werden diskutiert und welche Möglichkeiten gibt es, damit umzugehen oder sich davor zu schützen?

Das Coronavirus Typ 2 (SARS-CoV-2) löst die Erkrankung COVID-19 aus. Typisch sind Atemwegssymptome wie Husten, Fieber, Schnupfen sowie Geruchs- und Geschmacksverlust. Da es sich bei COVID-19 um eine sogenannte Multiorganerkrankung handelt, sind neben den Atemwegen auch verschiedene weitere Organe betroffen [1].

Die akute Phase der Erkrankung kann bis zu 4 Wochen nach Auftreten der ersten Symptome dauern. Danach ist kein vermehrungsfähiges Virus mehr nachweisbar [2]. Halten die Symptome der Infektion dennoch weiter an oder treten sie erneut auf, spricht man von Long COVID [1, 2].

Wie viele Menschen sind betroffen?

Aktuell ist noch nicht genau bekannt, wie häufig Long COVID auftritt [3]. Einer Schätzung der WHO zufolge haben 10 bis 20 % der Betroffenen nach einer COVID-19-Erkrankung anhaltende Symptome [4]. Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: Sie schätzt, dass bis zu 15 % der COVID-19-Betroffenen nach einer Infektion an Long COVID leiden und 2 % am Post-COVID-Syndrom [5].

Post-COVID-Syndrom oder Long COVID: Was ist der Unterschied?

Lang andauernde COVID-19-Erkrankungen werden als Long COVID sowie als Post-COVID-Syndrom bezeichnet. Die beiden Begriffe sind nicht immer klar voneinander abgegrenzt. Long COVID bezeichnet Beschwerden, die vier Wochen nach der Coronainfektion neu auftreten oder andauern [2, 3]. Vom Post-COVID-Syndrom spricht man laut einer Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) dann, wenn drei Monate nach einer Coronainfektion Symptome auftreten oder noch bestehen und mindestens zwei Monate lang anhalten [4].

Welche Beschwerden treten bei Long COVID auf?

Long COVID betrifft oft mehrere Organsysteme. Daher können viele verschiedene Symptome auftreten. Häufig sind [2, 4]:

Organsystem Symptom
Herz und Lunge
  • Atemnot
  • Husten
  • Schmerzen in der Brust
  • Spürbares Herzklopfen und -stolpern (Palpitationen)
Nervensystem
  • Andauernde Müdigkeit, Erschöpfung und fehlende Energie (das sogenannte Fatigue-Syndrom)
  • Konzentrations- und Gedächtnisstörungen (sogenannter Brain Fog)
  • Angst und Depressionen
  • Schlafstörungen
Allgemein
  • Gelenkschmerzen
  • Muskelschmerzen und -schwäche

Wie entsteht Long COVID?

Die Ursachen von Long COVID sind noch nicht komplett geklärt. Man geht aber davon aus, dass sie nicht bei allen Menschen gleich sind [1]. Mögliche Auslöser [1, 2]:

  • Eine Schädigung von Organen durch die COVID-19-Infektion
  • Im Körper verbleibende aktive Viren oder Virenbestandteile
  • Allgemeine Immunreaktionen oder Immunreaktionen auf das Virus
  • Blutgerinnungsstörungen
  • Eine erhöhte Anfälligkeit für Infektionen mit Bakterien, Pilzen und anderen Krankheitserregern während der Erkrankung

Bei Menschen mit einem schweren Verlauf von COVID-19 können anhaltende Symptome auch Folge einer Intensivbehandlung sein. Dieses Phänomen ist als Post-Intensive-Care-Syndrom schon lange bekannt. Es umfasst körperliche, geistige und psychische Folgen einer Behandlung auf einer Intensivstation. Mögliche Auslöser des Syndroms sind Durchblutungsstörungen, die Verletzung kleiner Blutgefäße, Bewegungsmangel und Veränderungen im Stoffwechsel [2].

Risikofaktoren für Long COVID

Frauen scheinen etwas häufiger von Long COVID betroffen zu sein als Männer. Neben dem weiblichen Geschlecht gibt es weitere Risikofaktoren [5]:

  • Schwere COVID-19-Verläufe
  • Chronische Vorerkrankungen, z. B. Diabetes mellitus
  • Junges bis mittleres Erwachsenenalter
  • Vorausgegangene Infektionen mit dem Epstein-Barr-Virus

Was kann vor Long COVID schützen?

Bislang gibt es keinen sicheren Schutz vor Long COVID. Die wirkungsvollste Prävention ist daher, Infektionen mit SARS-CoV-2 zu vermeiden. Das Infektionsrisiko sinkt beispielsweise durch eine Impfung gegen COVID-19 sowie durch Beachten der gängigen Infektionsschutzregeln (AHA+L-Regeln) [6].

Was unterstützt bei Long COVID?

Wenn die Symptome einer COVID-19-Infektion mehr als 4 Wochen andauern, ist eine ärztliche Behandlung angezeigt. Der Hausarzt oder die Hausärztin überweist nach Untersuchung gegebenenfalls an spezialisierte Fachärztinnen oder Fachärzte oder an eine Post-COVID-Ambulanz. Hier eine Liste der Ambulanzen.

Je nachdem, welche Symptome auftreten, können auch Rehabilitationsmaßnahmen infrage kommen. Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte beraten bei Bedarf hierzu und können den Reha-Antrag mithilfe eines Befundberichts unterstützen. Weitere Informationen zu Reha-Angeboten bei Long COVID hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zusammengestellt.

Betroffene können sich auch in Selbsthilfegruppen austauschen. Die NAKOS (Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen) stellt eine Liste von Selbsthilfegruppen in Deutschland zur Verfügung.

Quellen

  1. Koczulla AR, Ankermann T, Behrends U et al. AWMF S1-Leitlinie Long/ Post-COVID. Pneumologie 2022; 76: 855-907
  2. Nalbandian A, Sehgal K, Gupta A et al. Post-acute COVID-19 syndrome. Nat Med 2021; 27: 601-615
  3. Robert Koch-Institut 2022. Long COVID (Stand: 19.7.2022). Verfügbar unter: https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Liste_Gesundheitliche_Langzeitfolgen.html; zuletzt abgerufen am 20. Januar 2023
  4. Weltgesundheitsorganisation 2022. Post COVID-19 condition – Fact Sheet. Verfügbar unter: https://who.canto.global/pdfviewer/viewer/viewer.html?v=JJA37JMFLT&portalType=v%2FJJA37JMFLT&column=document&id=69darire811l718b3aq106mk73&suffix=pdf&print=1; zuletzt abgerufen am 12. Januar 2023
  5. Bundesministerium für Gesundheit 2022. Long COVID und Post-COVID: Langzeitfolgen einer COVID-19-Erkrankung. Verfügbar unter https://www.zusammengegencorona.de/covid-19/long-covid-langzeitfolgen-einer-covid-19-erkrankung/; zuletzt abgerufen am 27. März 2023
  6. Weltgesundheitsorganisation 2022. Post COVID-19 condition (Long COVID). Verfügbar unter: https://www.who.int/europe/news-room/fact-sheets/item/post-covid-19-condition; zuletzt abgerufen am 13. Januar 2023

Bildnachweis: „Hand poked on a row of wooden dominoes, with the words „COVID19“ on the first piece and the words „LONG COVID“ on subsequent pieces.“; stock.adobe.com/vectorfusionart

Autorin dieses Beitrags: Dr. Christina Schüßler, medizinwelten-services GmbH, Stuttgart

Gefällt Ihnen der Text? Erwerben Sie hier die Rechte an diesem Artikel.


Fachgebiet (Unterfachgebiet):
Allgemeinmedizin, Innere Medizin (Immunologie, Infektiologie, Pneumologie)

Körperregion/Organsystem:
Herz, Lunge, Nerven- und Immunsystem

Jahreszeit:
ganzjährig

Anlass:
Pandemie

Schlagwörter:
Angst, Atemnot, Brain Fog, chronische Erkrankung, Coronavirus, COVID-19, Depression, Fatigue, Gelenkschmerzen, Hausarzt, Hausärztin Herz, Husten, Immunsystem, Impfung, Intensivstation, Long COVID, Lunge, Muskelschmerzen, Palpitationen, Pandemie, Post-COVID-Syndrom, Post-COVID-Ambulanz, Post-Intensive-Care-Syndrom, SARS-CoV-2, Schlafstörungen, Selbsthilfegruppen